Wie sieht die Arbeit auf der Isolierstation derzeit aus? Was zeichnet das Team aus?
Dr. Sönnekes: Wir arbeiten seit 20 Monaten auf der Corona-Station zusammen und haben inzwischen mehr als 700 Patienten betreut. Mit jeder Welle ist die Belastung im Team ein Stück größer geworden. Ein „Grundrauschen“ war niemals weg, auch nicht im Sommer. Die Sorge vor stark steigenden Fallzahlen im Winter war groß. Was kommt da auf uns zu? Wie geht es weiter? Das spüren wir nun: In der vierten Welle werden wir wahrscheinlich sogar noch mehr Patienten behandeln müssen als in der sehr schwierigen zweiten Corona-Welle. Kürzlich mussten wir die Isolier-Station erweitern, um die Versorgung aller Covid-Patienten gewährleisten zu können. Dafür wurde ein Teil einer anderen Station geschlossen. Aus anderen Fachbereichen wurden Pflegefachkräfte hinzugezogen. Diese werden nun eingearbeitet, um das Patientenaufkommen bewältigen zu können.
Prof. Greeve: Mit Beginn der Pandemie haben wir begonnen, die Station F2 in eine vollfunktions-fähige Isolationsstation umzubauen. Die baulichen Verhältnisse sind im Neubau des St. Vincenz-Krankenhauses sehr gut. Fast alle Zimmer haben Isolationsschleusen. Auch technisch sind wir auf einem sehr guten Niveau.
Genauso wichtig: Aus meiner Sicht ist das Teambuilding sehr gut gelungen und ich habe höchste Anerkennung und Hochachtung vor der Leistung der Pflegenden. Das Pflegeteam nimmt die große Herausforderung hervorragend an und erledigt die wirklich schwere Arbeit auf der Corona-Station mit großen Enthusiasmus. Ein „Wir können nicht mehr und wir wollen nicht mehr“ hört man praktisch nie. Andererseits ist die Belastungsgrenze sicherlich erreicht und auch überschritten. Daher wundert es mich immer wieder, wie mutig und motiviert die Mitarbeiter die Arbeit verrichten. Was die Covid-Station auszeichnet, ist die gelungene Zusammenarbeit zwischen der Pflege und den Ärzten in der Betreuung dieser Patienten. Mein Eindruck ist, dass sich alle aufeinander verlassen können. Es ist ein gutes Miteinander.
Anna Metz: Für mich ist es schön zu sehen, das Zusammenhalt im Team enorm großgeschrieben wird und dass das Team wirklich gut zusammengewachsen ist. Wir sind füreinander da und halten gemeinsam durch. Wenn Kollegen mitbekommen, dass zum Beispiel morgen im Frühdienst jemand fehlt, wird eingesprungen – einfach aufgrund des ,,Wir-Gefühls“. Wir schaffen das gemeinsam und lassen uns nicht im Stich.
Gibt es Patientenschicksale, die ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind?
Anna Metz: Es gab viele Schicksale, Tage bzw. Schichten, die mir im Gedächtnis geblieben sind. An einem Nachmittag, das war auch relativ früh in der Corona-Pandemie, starben drei Patienten. Das ist eine große psychische Belastung.
Dr. Sönnekes: Was mich persönlich besonders bewegt, sind die Schicksale jüngerer Menschen. So ist mir z.B. eine schwangere Patientin in Erinnerung geblieben, die kurz vor der Entbindung stand. Ihr Zustand verschlechterte sich sehr stark und sie musste verlegt werden. Ihr Mann war auch auf der Corona-Station und musste zurückbleiben. Das hat mich sehr betroffen gemacht. Ich hoffe, dass Mutter, Vater und Kind inzwischen wohl auf sind. Doch auch Schicksale von Älteren – und ihren Familien – berühren mich immer wieder sehr. Als ich der Tochter eines gerade verstorbenen betagten Corona-Patienten mein Beileid bekunden wollte, berichtete sie mir unter Tränen, dass ihre Mutter nun auch schwer erkrankt sei. Die Mutter verstarb dann ebenfalls an Corona. Dies sind sehr schwere Gespräche, die einen lange beschäftigen.
Ich persönlich habe auch Ängste gehabt: Wie ist es mit meinen Angehörigen, wenn ich mich auf der Station anstecke und das Virus an meine Familie weitergebe? Viele Mitarbeiter auf der Station ha-ben sich anfänglich komplett von ihrer engsten Familie abgesondert. Gerade in der Zeit, in der es noch keine Impfungen gab und wenig Masken da waren. Einerseits um sich und seine Familie zu schützen und zum anderen, um die Funktionsfähigkeit der Abteilung aufrecht zu halten. Das Verantwortungsgefühl ist bei allen im Team sehr hoch.
Prof. Dr. Greeve: Alle hatten am Anfang Angst – insbesondere, als es noch keine Impfung gab – dass man sich selber anstecken kann, andere gefährdet und diese dann versterben. Dies haben wir zu Beginn der Pandemie tragischer Weise im Team auch so erleben müssen. Dies hat uns alle sehr schwer getroffen und uns deutlich vor Augen geführt, wie gefährlich diese Erkrankung ist.
Gibt es in der vierten Welle Unterschiede (Alter, Geschlecht, Krankheitsverlauf) zu den Patienten, die Sie Anfang des Jahres behandelten?
Dr. Sönnekes: Durch das Aufkommen der Impfung hat es in der dritten Welle einen Schwenk gegeben. In der dritten Welle waren Jüngere (30-40 Jahre) häufiger betroffen, die aber auch sehr schwere Verläufe hatten. Nun ist es so, dass das Patientenkollektiv zur Hälfte aus nicht-geimpften Patienten besteht und zur anderen Hälfte sind es Doppelt-Geimpfte, häufig hochbetagte, bei denen die zweite Impfung bereits 6-8 Monaten zurückliegt. Sie befinden sich jetzt schon wieder in einer schlechteren Immunlage. Die einzige Chance den Teufelskreis zu durchbrechen sind die Auffrischungsimpfungen.
Prof. Dr. Greeve: Die Corona-Pandemie wird uns nicht verlassen. Ich halte es in einem normalen Leben für praktisch ausgeschlossen, dass man keinen Kontakt oder keine Infektion erlebt. Deswegen glaube ich, muss sich jeder überlegen, ob er dieses Risiko einer Corona-Infektion ungeimpft auf sich nimmt oder den Impfschutz für sich nutzen möchte. Ebenso können wir mit einer breit ausgestreuten Impfstrategie vulnerable Gruppen schützen, die auf diesen Schutz angewiesen sind.
Wie hat sich die Arbeit in Pflege und Medizin während der Pandemie geändert?
Prof. Dr. Greeve: Normalerweise ist es so, dass man einem Patienten, der schwer erkrankt ist, auch mal die Hand hält und Nähe sucht, sich ans Bett setzt. Das ist unter Corona-Bedingungen natürlich nicht möglich. Durch die Haube, ein Plastikvisier, Handschuhe, einen Mundschutz und einen großen Kittel, sieht man nur die Augenpartie der Ärzte und Pflegenden. Außerdem spricht man in eine Maske hinter einem Visier – da lässt sich eine gewisse Distanz nicht vermeiden. Wir gleichen dies durch empathische Worte aus. Und das gelingt auch gut, finde ich. Niemand kommt freiwillig auf die Covid-Station. Daher sind alle Patienten dankbar für die großartige Hilfe, die ihnen angeboten wird.
Anna Metz: Vor der Corona-Pandemie konnten wir näher am Patienten arbeiten. Jetzt ist es sehr schwierig – gerade wenn es um schwer erkrankte oder sterbende Patienten geht. Die Menschen sind teilweise alleine und man hat nicht die Zeit sich länger dazu zu setzen. Auch die Angehörigen können nur wenig da sein. Nun läuft viel über die Mimik, Gestik und wertschätzende Worte. Damit können wir den Patienten auch weiterhin nahe sein und verdeutlichen, dass die Schicksale uns leidtuen und wir mitfühlen.
Gibt es noch etwas, das sie besonders hervorheben möchten?
Prof. Dr. Greeve: Es ist erstaunlich, mit welch hohem Pflichtgefühl und welch guten Mutes das Team der Corona-Station arbeitet, jeden Tag aufs Neue. Es gibt kaum Versetzungsanträge, kaum jemanden der sagt, dass er es nicht mehr aushalten könne. Und das kann man gar nicht hoch genug hervorheben. Es gibt sicherlich viele Arbeitsplätze im Krankenhaus, wo man nicht so gefordert wird wie gerade auf dieser Station. Alle die dort arbeiten, stellen sich großen Herausforderungen – je-den Tag neu. Und das ist einfach nur großartig. Man kann das gar nicht in Worte fassen. Das muss man erlebt haben und in der Tiefe des Herzens wahrnehmen.